Wenn jemand stottert, hat er Angst, daß das, was er sagt, nicht angenommen wird. Er oder sie hat Angst, überhaupt etwas zu sagen. Stottern finden wir bei Menschen, die schon als Kinder von ihren Eltern unterdrückt worden sind, die Streit mit ihren Eltern bekamen, die sich nicht äußern durften, die den Mund halten mußten und die man niemals ernst genommen hat. Es ist ein Mangel an Selbstsicherheit und an Ausdrucksfähigkeit. Meistens betrifft es Jungen, die von ihrem Vater unterdrückt werden. Aus dieser Beschreibung wird gleichzeitig klar, daß die Krankheit überwunden werden kann. Zuerst sollten diese Menschen unbedingt > Autogenes Training lernen und so Kontrolle über wichtige, vegetative Körperfunktionen bekommen. Daraufhin werden sie nach und nach mehr innere Sicherheit entwickeln, schließlich die Angst überwinden und frei sprechen lernen.
Ich habe einmal als Student einen Freund betreut, der kaum reden konnte. Wir sind nach diesem Muster vorgegangen. Nach einem halben Jahr konnte er ohne die Anwesenheit seines Vaters schon recht gut sprechen. Parallel dazu haben wir seinen Vater analysiert: Ein spießiger, diktatorischer Beamter. Er war nicht gewalttätig, sondern er tyrannisierte die ganze Familie mit Worten und Verordnungen. Er tyrannisierte auch die Mutter total, was ihren Sohn von Geburt an erschüttert hatte. Als sein Sohn (23) ihm dann irgendwann vorsichtig, fest und bestimmt sagte, was er von ihm hielt und warum er 22 Jahre lang nicht reden konnte, bekam der Vater hysterische Anfälle. Der Sohn ließ ihn stehen und ging zu seinen Freunden. Der Vater hatte anschließend einen Zusammenbruch. Er konnte nie wieder in dieser Art seine diktatorische Show ablaufen lassen (preußische Zucht und Ordnung).
Mit der völlig unerwarteten Tatsache, daß sein “unfähiger und unerwünschter Sohn” ihm plötzlich qualifiziert die Meinung sagen konnte, ist er nicht fertig geworden. Der Sohn ist kurz danach in eine WG gezogen und wurde endlich erwachsen.
